Manuelle Therapie

Manuelle Therapie ist eine Therapieform, die funktionelle und statische Einschränkungen von Gelenken analysiert und reguliert. Wichtig für eine erfolgreiche Behandlung ist das Erkennen von in der Funktion eingeschränkten Struktur.

Die Untersuchung wird ausschließlich manuell (mit den Händen) des Therapeuten durchgeführt.

Nach einer exakten individuellen Befunderhebung kann so differenziert werden:

• ob ein Gelenk über ein zu großes oder kleines Bewegungsmaß verfügt (Hyper- oder Hypomobilität)

• welche Struktur für die Dysfunktion verantwortlich ist (Knochen, Knorpel, Band, Kapsel, Gelenk oder Muskulatur und Nervensystem)

• welchem Bewegungssegment der Wirbelsäule eine Störung zuzuordnen ist

Nach der Funktionsuntersuchung und Probebehandlung erfolgt die auf das Beschwerdebild abgestimmte Behandlung.

Entwicklung der manuellen Medizin

Das Knochensetzen ist wohl so alt wie die Menschheit selbst. Schon in frühen Zeiten und bei vielen Völkern hat es Kundige gegeben, die in der Lage waren, durch Handgriffe Beschwerden an Wirbelsäule und Gliedmaßen zu lindern oder zu beseitigen. Ich kann mich noch an meine Jugend in Schlesien erinnern, wo es u. a. Schäfer waren, welche diese Kunst beherrschten.

Während das Kräuterweiblein seine Kenntnisse dem Internisten weitergab und der Chirurg vom Bader lernte, ist erstaunlicherweise die Kunst des Knochensetzens erst in allerjüngster Zeit und nur sehr zögernd in die Hand des Arztes gelangt. Vielleicht waren die großen Fortschritte der Medizin auf dem Gebiet der Arzneimittellehre und der Chirurgie im 19. und 20. Jahrhundert der Grund für die Nichtbeachtung der manuellen Medizin, wie wir die Lehre von den Handgriffen heute nennen.

Die Wurzeln der modernen manuellen Medizin, die sich in ärztlicher Hand in den letzten 40 Jahren erheblich weiterentwickelt hat und auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt wurde, sind Osteopathie und Chiropraktik. Beide Methoden kommen aus den USA.

Am 30.10. 1894 gründete Andrew Tailor Still in Kirksville, USA, eine Schule, wo erfolgreichen Absolventen der Titel des Doktors der Osteopathie verliehen wurde (Hildreth 1942). Still hatte die Kunst des Heilens durch Handgriffe an Wirbelsäule und Extremitätengelenken aufgegriffen und zu einer lehrbaren Wissenschaft ausgebaut. Während am Anfang an den Osteopathenschulen nur Anatomie und die Handgrifftechniken gelehrt wurden, vermitteln sie heute das gleiche Wissen wie die Medizinschulen. Auch die klinische Ausbildungsdauer von 36 Monaten ist die gleiche, so dass die Osteopathen in den USA staatlich anerkannt und den an Medizinschulen ausgebildeten Ärzten gleichgestellt sind. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass die Osteopathen während ihrer Ausbildung zusätzlich 400 Stunden Unterricht in manueller Medizin erhalten. Es gibt zur Zeit 12 Osteopathenschulen, teils privat, teils an staatlichen Universitäten. In den USA praktizieren 18000 Doktoren der Osteopathie (D. 0.). Vergleichsweise sei die Zahl von 160000 Doktoren der Medizin (M. D.) genannt. Den Osteopathen verdanken wir die Grundlagen unseres heutigen Wissens über die Manuelle Medizin.

Unter einem Osteopathen kann man sich in Deutschland kaum etwas vorstellen. Hinzu kommt, dass es v. a. in angelsächsischen Ländern und in Frankreich Osteopathen gibt, welche zwar Handgrifftechniken ausüben, aber keine medizinische Grundausbildung haben. Es handelt sich meistens um weitergebildete Masseure.

Im Volksmund wesentlich bekannter sind die Chiropraktiker. Begründer der Chiropraktik war kein Arzt, sondern ein kanadoamerikanischer Gemischtwarenhändler namens Palmer, der die erste Chiropraktikerschule im Jahre 1895 gründete. Es gibt in den USA etwa 30000 Chiropraktiker (D.C.). Eine Regierungskommission prüft dort die Frage einer staatlichen Anerkennung. In einigen Staaten der USA arbeiten die Chiropraktiker ohne Lizenz. In anderen Ländern ist ihre Rechtsstellung sehr unterschiedlich.

In der Bundesrepublik Deutschland erfolgt die Zulassung über das Heilpraktikergesetz (Peper 1978). Die Chiropraktiker haben eine Reihe von eigenen, von der osteopathischen Technik abweichende Handgrifftechniken entwickelt, die sie ebenfalls zur Behebung von Beschwerden an Wirbelsäule und Extremitätengelenken anwenden. Ihre theoretischen Vorstellungen in Verbindung mit den Handgrifftechniken brachten sie von Anfang an und im Laufe der Jahre zunehmend in einen scharfen Gegensatz zur sog. Schulmedizin. Erst in letzter Zeit scheint sich ein Wandel der Denkweise der Chiropraktiker anzubahnen, indem ein Teil von ihnen beginnt, die bisherigen philosophischen Erklärungen zur Chiropraktik durch naturwissenschaftliche Begründungen zu ersetzen.

Diese kurze Einführung soll dazu dienen, die gegenwärtige Situation verständlich zu machen. Wer sich mit der Geschichte der manuellen Medizin näher befassen will, sei auf das Buch von Schiötz u. Cyriax (1975) sowie auf die entsprechenden Kapitel in den Büchern von Maigne (1961), Lewit (1992) und Eder u. Tilscher (1988) verwiesen.

Ärzte in Europa und anderen Ländern begannen erst nach dem 2. Weltkrieg, sich in größerem Umfang mit den Handgrifftechniken zu befassen. Bis dahin gab es nur ein paar Außenseiter, denen die Techniken der Chiropraxis und der Osteopathie bekannt waren.

In Deutschland ließen sich, durch das Heilpraktikergesetz begünstigt, im Ausland ausgebildete Osteopathen und Chiropraktiker nieder. Sie erzielten mitunter spektakuläre Erfolge, die mit herkömmlichen Methoden nicht erreichbar waren, Bald wurden kleine Gruppen von Ärzten darauf aufmerksam und begannen, sich mit der neuen Methode auseinanderzusetzen. Sie gründeten im Jahre 1953 die Forschungsgemeinschaft für Arthrologie und Chirotherapie (FAC) in Hamm und die Gesellschaft für Manuelle Wirbelsäulen- und Extremitätenbehandlung (MWE) in Neutrauchburg als ärztliche Ausbildungs- und Forschungsstätten. Beide schlossen sich 1966 zur Deutschen Gesellschaft für Manuelle Medizin (DGMM) zusammen, welche im Rahmen der 1968 gegründeten Internationalen Gesellschaft für Manuelle Medizin (FIMM) eng mit den nationalen Gesellschaften für manuelle Medizin von 25 anderen Ländern zusammenarbeitet. Seit der deutschen Wiedervereinigung ist die Ärztevereinigung für Manuelle Medizin Ärzteseminar Berlin (ÄUM) Mitglied der DGMM.

Diese Gesellschaften haben sich die Aufgabe gestellt, die Manuelle Medizin nach kritischer Prüfung, befreit von anzweifelbaren Theorien und mit einer sich ständig verfeinernden Technik, zum Wohl des Patienten in die Hand des Arztes zu legen.

Das Ziel der Ärztlichen Gesellschaft für Manuelle Medizin ist es, jeden Arzt, der nach Erweiterung seiner diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten sucht, über die manuelle Medizin zu informieren und jeden Arzt, der sich speziell mit der funktionellen Erkrankung des Haltungs- und Bewegungsapparates befasst, zu instruieren.

In den letzten Jahren ist das Interesse der Krankengymnastik an der manuellen Medizin sprunghaft gestiegen. Die Ärzteseminare haben eigene Kurse für Krankengymnast(inn)en eingeführt, in denen die für diese Berufsgruppe geeigneten Techniken gelehrt werden.

Quelle: Entwicklung der manuellen Medizin: H.-D. Neumann; Manuelle Medizin, Eine Einführung in Theorie, Diagnostik und Therapie


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